Die Mitgliederbetriebe von carrosserie suisse werden alle fünf Jahre von einem externen Auditor geprüft und rezertifiziert. 2023 überprüfte der Branchenverband insgesamt 102 Betriebe aus den Sektionen Zentralschweiz und Nordwestschweiz. Dieses Jahre folgen jene aus den Sektionen Graubünden und Ostschweiz.
Die Rezertifizierung der Betriebe übernimmt im Auftrag von carrosserie suisse die Zentrex AG in Emmenbrücke. Sechs Auditoren besuchen und kontrollieren sowohl die Deutsch- als auch die Westschweizer (sowie Tessiner) Betriebe. «Wir prüfen einen Betrieb optisch auf Infrastruktur, Aus- und Weiterbildung sowie Sicherheit», erklärt Inhaber und Sachverständiger Urs Bucheli. «Von der Infrastruktur her sehen wir, wie ein Betrieb aufgebaut ist und ob er technisch mit der Zeit geht. Und vielfach ist es so, dass wenn die Infrastruktur vorhanden ist, auch die entsprechenden Aus- und Weiterbildungen gemacht werden. Dies lässt sich einfach anhand von Attesten und Zertifikaten prüfen.» Ein wichtiger – wenn nicht sogar der wichtigste Aspekt – sei die Sicherheit.
«Dort sehe ich den grossen Vorteil, dass wir auf Risiken aufmerksam machen. Es gibt im Betrieb immer zwei Seiten. Wir wollen den Unternehmer schützen, aber auch den Mitarbeiter.» Es gehe um das Verhindern von Schäden und um Vorsichtsmassnahmen. «Hält man alle Vorschriften ein, kann man nicht haftbar gemacht werden, sollte doch einmal ein Unfall passieren. Wir machen darauf aufmerksam, was man verbessern kann und soll, und bringen Vorschläge. Dabei sucht man die beste Lösung auch in finanzieller Hinsicht. Wir wollen unterstützend hingehen und nicht als Schiedsrichter.» Die Anforderungen oder Kriterien, die ein Betrieb erfüllen muss, wurden vom Verband definiert und werden kontinuierlich überarbeitet und an zeitgemässe technische Anforderungen angepasst.
Das grösste Hindernis ist ein menschliches
Auf die Frage, welches das grösste Hindernis an seiner Tätigkeit sei, meint Bucheli: «Dass ein komplett Fremder in den Betrieb kommt, eine Standortbestimmung macht – und dann auch sagt, was es zu verbessern gibt.» Es sei nicht einfach, sich vor einem Fremden negative Punkte aufzeigen zu lassen, da scheuen sich manche, vielleicht auch weil sie wissen, dass sie nicht den Level haben, den sie haben sollten. «Aber genau deswegen sind wir ja unterwegs, um dieses Level sicherzustellen. Und man darf nicht vergessen, ein Mitglied hat ‹ja› gesagt zum Verband und dadurch auch eine gewisse Verpflichtung.»
Ein Erfahrungsbericht
Wie eine Rezertifizierung aus der Perspektive eines Carrosseriebetriebs abläuft, erzählt uns Angelo Cacciapaglia, seit 15 Jahren Geschäftsführer von der Fahrzeugbau Hager AG in Ottenbach ZH, die im Mai 2022 wieder an die Reihe gekommen war. «Ich hatte ein E-Mail erhalten, dass wir wieder geprüft würden und wann der Auditor vorbeikommen möchte sowie Login-Daten. Daraufhin habe ich diverse gewünschte Dokumente hochgeladen: Umweltzertifikat (Gewässerschutz), Handelsregisterauszug, eine normale Rechnung, Kalkulation einer Offerte, Kopas-Bescheinigungen, allfällige Kooperationen für Klimawartung, Widerstandsschweissen, Mindesteinrichtung für den Lehrbetrieb sowie das Bestätigungsschreiben der letzten Kontrolle vom Amt für Umweltschutz. Das Audit ist einfacher, wenn diese Dokumente bereits vorher hochgeladen werden.»
Mit Augenmass und sinnvoll
Der Besuch des Auditors begann mit einem 15-minütigen Gespräch, in dem er erklärte, was wichtig sei. Danach ging er selbständig durch den Betrieb, machte Fotos und gab anschliessend sein Feedback ab, was zu beheben sei. «Bei uns war es eigentlich nur eine defekte Augendusche und dass ein Mitarbeiter seine Kopas-Kursbestätigung zu Hause hatte», so Cacciapaglia.
Das wurde alles nochmals per E-Mail bestätigt. Mit einem Foto der neubeschafften Augendusche und einem Scan der Kursbestätigung war die Sache erledigt. «Ich bin es anders gewohnt von Importeuren, die über mehrere Stunden im Betrieb sind», kommentiert Cacciapaglia den Ablauf. «Ich war überrascht, wie mit Augenmass und sinnvoll auditiert wurde. Da wir eine vielfältige Branche sind, muss man individuell auf den Betrieb eingehen können und auch sehen, was er macht. Beim Fahrzeugbau etwa kommt es darauf an, welche Produkte man baut. Ein Kranaufbauer etwa hat ganz andere Arbeitsprozesse und benötigt andere Werkzeuge als jemand, der mit Alu arbeitet. Ein Auditor muss beurteilen können, ob eine Firma qualitativ gute Arbeit abliefern kann. Das ist uns auch wichtig, denn es bringt uns nichts, etwas abzuliefern, das man nicht brauchen kann. Dafür sind wir zu teuer auf dem Schweizer Markt. Wer im Fahrzeugbau in der Schweiz keine gute Arbeit gemacht hat, den gibt es auch nicht mehr.»
Sichtbarkeit als Marktchance
«Wenn man die ‹ganze Übung› schon macht, dann sollten wir das innerhalb des Verbandes auch vermarkten und verkaufen», so Armin Haymoz, Vizepräsident von carrosserie suisse. Was er damit meint: «Durch die regelmässige Zertifizierung ist unser Logo ein Qualitätsgarant. Wir können noch mehr dafür tun, dies dem Kunden gegenüber zu kommunizieren. Wer im Verband ist, wird regelmässig kontrolliert und ist ein Qualitätsbetrieb – dahinter können wir stehen. Das muss auch immer wieder kommuniziert werden, damit der Private, der ein Anliegen hat, weiss, dass er mit gutem Gewissen in einen carrosserie suisse-Betrieb gehen kann.» Dieser Meinung ist auch Cacciapaglia: «Den Mehrwert der Rezertifizierung sehe ich darin, dass die Qualität der Betriebe steigt. Wenn man sagt, man ist carrosserie suisse-Mitglied, dann soll es auch für den Kunden klar sein, dass da eine gewisse Qualität dahintersteckt.»
Ein offenes Ohr
«Die optische Kontrolle dauert eineinhalb bis zwei Stunden», so Bucheli. «Vielfach ergeben sich Gespräche daraus. Das ist wichtig, denn manchmal sind wir der einzige direkte Kontakt zu carrosserie suisse seit Längerem, so können gewisse Informationen, Probleme oder Herausforderungen angesprochen werden. Diesen Input teilen wir, sofern der Betrieb einverstanden ist, dem Aussendienst von carrosserie suisse mit. Dadurch konnten wir vermehrt einige Problemfelder identifizieren wie Nachfolgeregelung, Lehrlings- oder Fachkräftemangel.»
Einige würden zugeben, dass es eigentlich noch gut sei, dass jemand komme, der noch nie da war, man sei ja auch betriebsblind, sagt Bucheli. Und: «Vor allem beim ersten Mal lässt man sich nicht gerne prüfen. Es dauert aber nicht lange, bis man merkt, dass wir nicht die Bösen sind, sondern unterstützen. Und als Unternehmer kann man stolz sein, wenn man das Anforderungsprofil erfüllt. Wenn man den Spiess so drehen kann, dass alle das Anforderungsprofil erfüllen wollen, dann haben wir viel erreicht.»
Text: Henrik Petro