Die Anzahl der Druckgussbauteile im Carrosseriebau steigt stetig an. Fahrzeughersteller ersetzen damit viele einzelne Blechteile durch funktionsintegrierte Gussteile. Der Zulieferer GF Casting Solutions gewährte dem Carrossier einen Blick in die Zukunft dieser Bauteile.
Ein Personenwagen-Modell, das markenübergreifend viele Druckgussbauteile zeigt, empfängt den Besucher im Showroom der GF Casting Solutions. Das Schweizer Unternehmen hat sich unter anderem auf Leichtbau-Komponenten für Motorfahrzeuge spezialisiert. Es entwickelt und liefert Aluminium- und Magnesium-Hochdruckgussteile, die sich hauptsächlich in Premiumfahrzeugen in der Carrosseriestruktur, in einem Anbauteil oder im Interieur wiederfinden.
Die übersichtliche Anordnung der Teile im oben genannten Modell demonstriert mögliche Einbauorte im Automobil – das ist notwendig, weil Druckgussbauteile im fertigen Produkt Motorfahrzeug «praktisch unsichtbar» sind. Beispielsweise sind sie in der Carrosseriestruktur oder im Anbauteil als Verbindungs- oder Trägerelement hauptsächlich unter Abdeckungen versteckt. Am PW-Modell lassen sich etwa die aus Aluminium gefertigten Federbeindome vorn und hinten sowie das Verbindungsteil vom Schweller zum hinteren Längsträger erkennen.
Auch ein Getriebe- und ein Batteriegehäuse sowie Carrosseriestrukturteile wie eine hintere Rückwandtüre und die Verstärkungen im Boden Mitte sind im Aluminium-Druckgussverfahren hergestellt.
Die beiden Türen hat das Unternehmen für den Porsche Panamera entwickelt. Die Türinnenteile fertigt es im Aluminium- und die Türrahmen im Magnesium-Druckgussverfahren. Die Heckklappenstruktur und die kathodisch tauchlackierten (KTL), schwarzen Magnesium-Flügeltürelemente am Dach hinten sind von gleicher Bauart. Magnesium-Bauteile (Mg) werden zum Schutz vor Korrosion fast immer KTL-beschichtet, wie beispielsweise am Frontendträger sichtbar. Eine Ausnahme machen hier die Tunnelstrukturteile und die Sitzschalen im Innenraum.
Bauteil-Anforderungen
Die Wertschöpfungskette bei GF Casting Solutions kann unter anderem das Giessen (Druckgussverfahren), die Wärmebehandlung, das CNC-Fräsen, das Laserschneiden und die optionale KTL-Beschichtung umfassen. Für den Aluminium-Strukturguss gibt es eine gängige Legierung (AlSi10MnMg) mit bestimmten Eigenschaften. Der Zulieferer GF Casting Solutions hat zudem spezielle Legierungen für Sonderfälle entwickelt. Im Fertigungsprozess lassen sich durch eine gezielte Wärmebehandlung bestimmte Eigenschaften des Bauteils einstellen – etwa eine Optimierung zugunsten der Festigkeit oder einer erhöhten Duktilität (Fähigkeit eines Werkstoffs, sich plastisch zu verformen, bevor er bricht).
Welche der beiden Eigenschaften überwiegen soll, geben der Automobilhersteller und der Einbauort im Fahrzeug vor. Beispielsweise beeinflussen die Lastpfade der Carrosserie das Gussbauteil. Speziell bei Federbeindomen, Heckklappen- oder Längsträgerstrukturen kommen hohe Belastungen auf das Bauteil zu, die bereits in der Automobilkonstruktion berechnet werden. In Kooperation mit dem Gussspezialisten GF Casting Solutions entwickelt und optimiert der Automobilhersteller dann das Bauteil weiter.
Die Produktentwicklung von GF Casting Solutions strebt ein Design an, das die Lastfälle optimal abbilden und gleichzeitig das Leichtbaupotenzial von Guss ausschöpfen kann.
Mittels umfangreicher statischer und dynamischer Prüfaufbauten und von OEMs vorgegebener Prüfzyklen lässt sich die benötigte Bauteillebensdauer abbilden. So kann man durch einen überspitzten Zyklus eine Alterung, die im Realbetrieb innerhalb von zehn Jahren auftreten könnte, in nur drei Wochen darstellen. Zudem können die Prüfingenieure bei GF Casting Solutions mit Hilfe von Mikroschliffen oder dem Rasterelektronenmikroskop nachvollziehen, ob ein Bauteilversagen konstruktiven oder prozesstechnischen Ursprungs ist.
Fügetechniken
Welche Fügetechniken sind für ein Druckgussbauteil optimal? Ingenieur Julian Hossinger erläutert, dass viele Automobilhersteller ihre spezifischen Vorlieben haben, je nach den vorhandenen Fügestrassen in der Produktion. Bei Kunden von GF Casting Solutions, die bereits Materialmischbau betreiben, ist Stanznieten mit Halbhohlnieten das am häufigsten angewandte Verfahren. Hierbei handelt es sich um ein punktuelles Fügen von Druckguss-Bauteilen an den jeweiligen Fügepartner, zum Beispiel ein Carrosserie-Stahlblech. Auch andere mechanische Fügetechniken wie FDS-Schrauben oder Schweissverbindungen kommen je nach Einbausituation in den Fertigungsstrassen der OEMs zum Einsatz.
Grundsätzlich wird die Fügeverbindung im Versuch (Kopf- oder Scheerzug) immer auf ihre Belastbarkeit hinsichtlich der möglichen übertragbaren Kräfte in verschiedenen Lastfällen untersucht. Zudem kommen verschiedene Klebstoffe zum Einsatz, beispielsweise zur Isolation unterschiedlicher Materialien, die zur Kontaktkorrosion neigen und/oder zur Steigerung der Festigkeit. Die Fixierung der einzelnen Bauteile durch mechanische Fügeelemente ist dabei unbedingt notwendig. Im Strukturbau verwendete Klebstoffe sind häufig warm aushärtbar und erlangen im KTL-Bad ihre eigentliche Endfestigkeit – die Bauteile müssen bis dahin fixiert werden, damit kein Verschieben erfolgen kann.
Mit seinem Know-how berät der Zulieferer GF Casting Solutions die Automobilhersteller bei der gussgerechten Auslegung der Bauteilgeometrie, der Materialdicke und den Versteifungsstrukturen (Rippen). Bei der CAD-Simulation des Bauteiles werden Schwachpunkte deutlich, können Probleme in der Formfüllung vorhergesagt oder zusätzliche Anschraubpunkte integriert werden. Die Erfahrung von GF Casting Solutions in der Druckgusstechnik ermöglicht aber auch eine gezielte Materialausdünnung oder Materialverdickung, um Schwachpunkte zu vermeiden und eine hochfunktionelle Leichtbaulösung zu schaffen.
Wie eine solche gemeinsame Bauteilentwicklung aussehen kann, erläutert Michael Just, Entwicklungsingenieur bei GF Casting Solutions, am Beispiel Porsche Panamera: «Die Türinnenteile und Fensterrahmen sind Aluminium- und Magnesium-Druckgussbauteile. Diese beiden Materialien neigen bei direktem Kontakt zur Kontaktkorrosion. Zusätzlich sind hier an der Carrosserieaussenseite die Witterungseinflüsse durch Wasser und die Temperaturen von -40 bis +50 Grad Celsius sehr hoch. Auch eine Bewegung der Bauteile zueinander musste berücksichtigt werden. Ein besonderes Augenmerk wurde deshalb auf die Verbindungstechnologie zwischen Fensterrahmen und Türinnenteil gelegt, die mit aktiven Dichtungselementen unterstützt wird. Alle Vorgaben des OEM mit ihren Toleranzen in der Bauteilfertigung wurden erfüllt. Auch die Vermeidung von Korrosion über die Lebenszeit wurde erreicht.»
Der Instrumentenquerträger im Fahrzeug ist ein gängiges Magnesium-Druckgussbauteil, das GF Casting Solutions schon lange produziert. Seine komplexe Gestalt ergibt sich aus den Anforderungen nach definierter Festigkeit zwischen den beiden A-Säulen und der Abstützung zum Tunnel sowie durch die Aufnahmen für die Lenksäule, die Heizung und das Handschuhfach. Des Weiteren müssen in diesem dichtbepackten Bauteil einige Kabelstränge und Lüftungskanäle untergebracht und befestigt werden. Ein Instrumententräger sei höchst anspruchsvoll in seiner Gestaltung und Fertigung, verraten die Ingenieure. Die Wandstärke des Instrumententrägers kann zwischen zwei und sieben Millimeter variieren, wobei GF Casting Solutions immer den optimalen Zustand zwischen Festigkeit und Leichtbau wählt.
Bauteile der Zukunft
Bulk Head: Mit diesem Entwicklungsprojekt von GF Casting Solutions zeigt der Prototyp neue Möglichkeiten im Druckguss auf. Mit seiner Grösse von 700 × 1700 × 900 Millimeter und einem Gewicht von 35,2 Kilogramm zeigt das grosse Gussbauteil, welche Konstruktionsmöglichkeiten geschaffen werden können, um Druckgusslösungen in die Carrosserie einzubringen. Der Stirnwandträger verbindet die A-Säulen-Innen rechts und links, stellt einen oberen und einen unteren Querträger zur Versteifung und schafft strukturelle Anbindungen zur Carrosserie. Die vorderen Federbeindome, die Schwellerprofile und der Dachrahmen oberhalb der A-Säule könnten zum Beispiel als Strangpressprofil einfach mittels Niet- oder Schweisstechnik an den Stirnwandträger gefügt werden.
Die Herausforderung für die Entwickler war nicht die Bauteilgrösse, sondern die Idee zu einem neuen Carrosseriebauteil für ein E-Fahrzeug. Der grosse obere Träger mit seinem hohen Querschnitt kann im Front-Pfahl-Crash eine gute Energieabsorption und/oder -weiterleitung erzielen. Um den Elektromotor vorne müssten sonst höchstfeste, warmumgeformte Carrosserieverstärkungen die Festigkeit herstellen. Die Studie des Bulk Heads ist zudem etwa vier Kilogramm leichter und kann bis zu 30 Stahlblechteile ersetzen.
«Der Zulieferer GF Casting Solutions will nicht nur nach einer Anfrage ein Angebot für ein Bauteil erstellen, sondern auch neue Möglichkeiten im Carrosseriebau aufzeigen, die mit einem grossen Gussbauteil möglich sind», so Stephan Philipp, Teamleiter Produktentwicklung.
BIG Casting Case Study: Welche Bauteilgrösse auch ohne eine Mega- oder Gigacasting Anlage realisiert werden könnte, zeigt ein Demonstrator in Verbundguss-Technologie. Dabei wurden zwei Druckgussbauteile mit einer integrierten Aluminiumblechplatine in der Mitte verbunden. Im Herstellungsprozess wird an das zwei Millimeter dicke Blech rechts und links ein Gussbauteil angegossen. Der Vorteil: Durch die Platinenfläche wird ein grosses Bauteil geschaffen, das mittig hochduktil ist und eine Reparaturlösung durch Schweissen oder Nieten/Kleben ermöglicht. Ein möglicher Serieneinsatz ist noch unklar, aber einige Automobilhersteller zeigen sich interessiert.
Brandneu: Sichtbarer Druckguss
Dass die «versteckten» Druckgussbauteile auch in den Sichtbereich der Fahrzeuginsassen kommen, wurde durch eine Anfrage von Jaguar Land Rover (JLR) angestossen. Der Wunsch des Automobilherstellers nach einer Innovation im Innenraumdesign wurde im Standort in Österreich in enger Zusammenarbeit mit dem OEM umgesetzt. «Die Instrumentenabdeckung im Modell Defender ist das erste Bauteil von GF Casting Solutions überhaupt, das im Innenraum des Fahrzeugs als Sichtbauteil direkt vor dem Fahrer und Beifahrer montiert wird», erläutert Julian Hossinger.
Instrumententräger, Sichtblenden und Mittelkonsole werden seit 2021 als Mg-Druckgussteil hergestellt. Die Herausforderung lag in einer sichtbar glatten Oberfläche ohne Risse oder Verunreinigungen, die praktisch keine Nacharbeit zur Folge hat. Die glatte Oberfläche wird abschliessend nur beschichtet, wobei der Kunde unterschiedliche Farben wählen kann. Fazit: Die Anzahl der Druckgussbauteile in der Carrosseriestruktur wird auch künftig weiter zunehmen. GF Casting Solutions entwickelt und berechnet hochfunktionsintegrierte Bauteile und legt die zugehörige Druckgussform aus. In enger Zusammenarbeit mit dem OEM gelingt GF Casting Solutions die Umsetzung und Fertigung der Teile. Bemerkenswert sind die Innovationen der GF-Ingenieure, die neue Wege im Carrosseriebau aufzeigen und/oder zusätzliche Funktionen ins Bauteil integrieren.
Über die GF Casting Solutions
GF Casting Solutions ist ein führender Lösungsanbieter von Leichtbaukomponenten im Mobilitäts- und Energiesegment und gehört zum börsennotierten Konzern Georg Fischer AG. Das Unternehmen hilft seinen Kunden dabei, CO2-Emissionen zu reduzieren und alternative Antriebe zu entwickeln. GF Casting Solutions produziert an 13 Produktionsstätten in Deutschland, Österreich, Rumänien, der Schweiz und China. Die Forschungs- und Entwicklungszentren mit weltweit anerkannter Leichtbau- und Bionikkompetenz befinden sich in Schaffhausen und Suzhou (China). Gegründet wurde die Georg Fischer AG im Jahr 1802 in Schaffhausen. Der Konzern erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit 3570 Mitarbeitenden einen Umsatz von 892 Millionen Franken.
Text: Jürgen Klasing, Bild: GF Casting Solutions