Vom Bubentraum zum Elektro-Nutzfahrzeug


Fahrzeugbau Markt und Technik

Wer heutzutage durch die Hallen einer Nutzfahrzeugmesse zieht, Fachzeitschriften durchblättert oder in den einschlägigen Kanälen der sozialen Medien surft, denkt, dass es nur noch Steckerfahrzeuge gibt. Vor ein paar Jahren interessierte sich kaum jemand für elektrische Nutzfahrzeuge. Sie waren in einer kleinen Ecke auf Ausstellungen und wurden kaum beachtet. Dabei begann die Geschichte der Elektrofahrzeuge bereits vor rund 150 Jahren.

Damals nannte man die Fahrzeuge liebevoll «Pferdelose Kutschen». Die Schweizer Firma Tribelhorn AG bot bereits ab 1902 Elektro-Nutzfahrzeuge an. Elektrisch betriebene Nutzfahrzeuge sind mittlerweile verfügbar und werden von den Importeuren vorrangig angepriesen. Es gibt kaum eine Werbekampagne, die nicht auf den elektrischen Antrieb hinweist. 

Elektrische Frühförderung

Felix Rölli, der Geschäftsführer der Firma ROELLI TEC AG in Stans, hat seine eigene, ganz persönliche Geschichte zum elektrisch betriebenen Fahrzeug zu erzählen. 1988 ging für den damals elfjährigen ein Bubentraum in Erfüllung: Ein Bausatz für einen allradgetriebenen Buggy, funkferngesteuert, Elektromotor, Nickel-Metall-Hybrid Akku. Der Zusammenbau, die Technik und natürlich das Fahren mit diesem Renner faszinierten den jungen Nidwaldner gleichermassen.
Schon damals verglich er die Fahrleistungen des elektrischen Antriebes mit jenen eines Verbrenners und war überzeugt, dass der Elektroantrieb einfacher, sauberer, günstiger und vor allem in der Beschleunigung unschlagbar ist. Kollegen mit sogenannten «Benzinern» konnten sich den Spott nicht verkneifen: «Spielzeug», raunten sie. «Na, Akku schon wieder leer?» Doch statt sich geschlagen zu geben, glaubte Rölli umso mehr an den Elektroantrieb.

Er durfte überall und zu jeder Uhrzeit damit fahren, weil weder Lärm noch Gestank Anlass zu Reklamationen gaben. Leistungsfähigere Batterien und ein Schnellladegerät ermöglichten bald darauf ebenso lange Ausfahrten wie mit Verbrennern.
Auf spielerische Art lernte Felix Rölli die Grundsätze dieser Antriebsart kennen und auch deren Reizthemen: Emissionen, Reichweite, Kosten, Energieumwandlung, Anzahl der Bauteile, geeignete Einsatzbereiche. Alles Begriffe, die in der aktuellen Debatte über die Sinnhaftigkeit der Elektrofahrzeuge heiss diskutiert werden. 

Vater Kaspar Rölli nahm ihn 1990 mit nach Basel, wo eine der ersten Ausstellungen zu alternativ angetriebenen Fahrzeugen stattfand. Die beiden konnten eine Testfahrt mit einem winzigen Elektroauto machen und der Eindruck war prägend: keine Kupplung, keine Schaltung, kein Rauch – dafür die vibrationslose, kaum hörbare Beschleunigung und eine übersichtliche Technik. Kaspar Rölli’s Kommentar war anerkennend: «Elektrische Autos - das wird einmal ganz normal sein.»

Neue Wege gehend

Nach der Ausbildung zum Fahrzeugschlosser absolvierte Felix Rölli das Studium zum Industriedesigner FH, wo er mit seiner Diplomarbeit das Thema Elektrofahrzeug aufgriff. Mit seinem Konzept eines elektrisch angetriebenen Nutzmotorrad für Einsatzkräfte wie Notarzt, Polizei und Feuerwehr war er im Jahr 2004 der Zeit voraus.

Nach der Übernahme des elterlichen Fahrzeugbau- und Carrosseriebetriebes ROELLI TEC AG im Jahre 2010 konnte sich Rölli vermehrt der Realisierung seiner Visionen widmen. Ein Standbein der Firma war damals der Import von italienischen Spezialfahrzeugen mit Allradantrieb. Einer der Kunden hatte die fixe Idee, dass er künftig mit elektrischem Antrieb unterwegs sein wollte.

Geladen mit Strom vom Dach, sauber und geräuscharm im Betrieb, passend zur Nachhaltigkeitsstrategie seiner Firma. Die Firma ROELLI TEC AG realisierte daraufhin 2018 das wahrscheinlich weltweit erste strassenzugelassene, geländegängige Allradnutzfahrzeug. Rölli war überzeugt, dass in dieser Nische keiner der grossen Hersteller etwas entwickeln würde. «Wenn wir ein Elektrofahrzeug realisieren, dann für unsere Nische.» So ist der MOTRO 4x4 entstanden. 
 
Das Rolling Chassis des italienischen Herstellers DURSO wurde ohne Motor geliefert, die Firma Ecap in Deutschland baute den elektrischen Antrieb mit Motor von Bosch und Batterien von Tesla ein. Rölli komplettierte den Aufbau und kümmerte sich um die Prüfung und Strassenzulassung. Letzteres bezeichnet Rölli rückblickend als der schwierigste Teil des Unterfangens.

Kooperation mit Elektropionier KLINGLER

Schon vor diesem Projekt entwickelte sich bei Rölli ab 2012 eine Zusammenarbeit mit der Firma Klingler Fahrzeugtechnik AG. Deren Firmengeschichte geht zurück bis ins Jahr 1902, zum obengenannten Elektrolaster Tribelhorn. ROELLI entwickelt und baut ab 2013 Abfallpressaufbauten für die kompakten KLINGLER Elektrofahrzeuge, wie sie in vielen Schweizer Innenstädten eingesetzt werden.
 
Eine elektrische Besucherbahn wurde in enger Zusammenarbeit entwickelt und hergestellt. Seit 2014 ist der Masoala Express ein beliebter Touristenmagnet im Zoo Zürich. Ein zweiter Zug für den Zoo folgte 2020, neben anderen, die in der Zwischenzeit gefertigt wurden. Für den Erfolg sprechen:

  • Solche elektrischen Wegebahnen, wie dieser Typus richtig bezeichnet wird, kann man nicht an jeder Ecke kaufen. 
  • Die Erfahrung von Klingler, was den Bau von robusten, langlebigen Elektrofahrzeugen betrifft, wird kaum übertroffen. 
  • Mit ROELLI als Aufbauer, steht Klingler eine innovative und kreative Firma bei, die es versteht, echten Fahrzeugbau in Einzelanfertigung aus einer Hand anzubieten. 

Die Zusammenarbeit der beiden Firmen führte 2018 auch zum räumlichen Miteinander. KLINGLER zog nach Stans in die Geschäftsräume der ROELLI TEC ein, wo seither noch intensiver an gemeinsamen Projekten gearbeitet wird.
Nächster Schritt
2024 erreicht Felix Rölli die nächste Etappe. Nach Jahren, in denen er Kunden mit Interesse an Elektro-Nutzfahrzeugen vertrösten musste, kommen solche Fahrzeuge nun serienmässig auf den Markt. 
 
Es sind Fahrgestelle mit 4x2 Antrieb, die sich betreffend Abmessungen und Erscheinungsbild nicht von ihren Dieselpendants unterscheiden. So werden fortan auch die kompakten und leichten ROELLI-Absetzkipper auf elektrisch angetriebenen Fahrgestellen aufgebaut.

Diese Aufbauten stellen die Kernspezialität des Nidwaldner Fahrzeugbauers dar. Aufgebaut auf Fahrzeuge von 3.5 bis ca. 8.5 Tonnen werden diese Klein-Welakis künftig auch im elektrischen Flüstermodus anzutreffen sein. Immer enger werdende Platzverhältnisse, verdichtetes Bauen und die Zunahme der Getrenntsammlung von Wertstoffen sprechen für diese Fahrzeuggattung.
Gespannt ist Felix Rölli auch darauf, wann die ersten Pickupchassis, vor allem die Einzelkabinenversion, mit Elektroantrieb auf den Markt kommen werden. Oder auch, ob sich mit den Gewichtsklassen der Fahrzeuge längerfristig etwas bewegt. «Eine Erhöhung des Gesamtgewichtes von N1-Lieferwagen auf 4.5 Tonnen wäre jedenfalls zu begrüssen», sagt Rölli. 

Antriebslösungen frei von Ideologien

Die Politik hat die Weichen gestellt, in der EU werden ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zugelassen. Felix Rölli sieht dieser Regelung gelassen entgegen: «Dort wo es möglich und sinnvoll ist, wird sich der Elektroantrieb durchsetzen. Es geht nicht um Ideologie, sondern darum, die Technologie und die Ressourcen richtig einzusetzen. Die Erdölreserven sinken und zwingen uns, künftig sparsamer damit umzugehen.»

Der grösste Teil unserer künstlichen Lebenswelt besteht aus Kunststoffen, oder wurde mit fossiler Energie hergestellt. Von Medikamenten, Verpackungen, Gebrauchsgegenständen, Kleidern über Geräte aller Art, Computer, Handys bis zu Spielzeugen, Brillen und Fahrzeugen - auch Elektrofahrzeuge. Nicht zu vergessen jegliche Arten von Beschichtungen, Lacken, Schmierstoffen und Dichtungen, Steckern, Schläuchen und Elektrokabel. Es besteht fast alles aus Erdölerzeugnissen und die Herstellung dieser Teile verbraucht Unmengen an Erdöl. Bis auf wenige Ausnahmen gibt es dafür bislang keine echten Alternativen.

Wenn man sich diese Abhängigkeit vom Erdöl vor Augen führt, sollte doch eines klar werden: Erdöl ist dermassen wertvoll für unsere gesamte Zivilisation, dass wir es nicht weiterhin verbrennen sollten, nur um von A nach B zu kommen. Denn einmal verbrannt, ist es weg und kommt nicht wieder.»

Über die ROELLI TEC AG
Der Betrieb wurde 1980 unter dem Namen carrosserie Rölli AG von Fahrzeugschlossermeister Kaspar Rölli und seiner Frau Yvonne gegründet. Tätig war die Firma im Fahrzeugbau, der Carrosseriespenglerei und -lackiererei. 2010 übernahm die zweite Generation mit Eveline und Felix Rölli die Geschäftsleitung. Heute ist der Betrieb in den Bereichen Fahrzeugbau, Carrosserie, Beschichtung und Anhänger aktiv.

Zur Website der ROELLI TEC AG

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